Die Blätter der Eiche
Es lebte einmal vor langer, langer Zeit ein armer Bauer, der hatte eine liebe Frau und viele Kinder, aber kaum Geld und zum Essen nur das Nötigste. Jeden Tag aufs Neue mussten der Mann und seine Familie ums Überleben kämpfen. Eines Tages dann, als Hunger und Durst wieder einmal unerträglich wurden, verzweifelte der arme Bauer voll und ganz, und obgleich er ein recht frommer Mann war, klagte er: „Uns kann doch nur der Teufel helfen!“
Noch ehe er den Satz zu Ende gesprochen hatte, gab es einen lauten Knall und der Teufel erschien. Zu Tode erschrocken wich der Bauer zurück und es dauerte eine ganze Weile, bis er seine Besinnung wiederfand. Dann jedoch erzählte er dem Teufel tapfer von seinen Wünschen: „Ein Stück Feld bräuchte ich so dringend und ein paar Pferde und einen Pflug, um es zu bearbeiten. So könnte ich endlich meine Familie ernähren!“
Der Teufel versprach dem Bauern einen Topf voller Goldstücke, wollte dafür aber die Seele der Unglücklichen. „Eine Nacht gebe ich dir Bedenkzeit“, so sprach der Höllenfürst, „jedoch sobald die Sonne morgen aufgeht, verlange ich deine Antwort!“. Dann war er wieder verschwunden.
In seiner Not lief der Bauer zu seiner klugen Frau und sie berieten sich die ganze Nacht. Als am nächsten Morgen der Teufel kam, um sich seine Antwort zu holen, willigte der arme Bauer schließlich ein. „Gut“, sprach der Teufel hämisch und gab dem Bauern den Topf voller Goldstücke, „in einem halben Jahr werde ich kommen, dich zu holen!“ „Bitte, Teufel“, gab ihm der Bauer listig zur Antwort, „das ist zu kurz. In dieser Zeit schafft es der beste Landmann nicht, so viele hungrige Mäuler zu stopfen! Hole mich erst dann, wenn alles Laub von den Bäumen abgefallen ist.“
Auch das schien dem Bösen recht zu sein, denn er verschwand noch im selben Augenblick. Der Bauer kaufte mit dem Gold ein Stück Land, ein paar Pferde und einen Pflug, gerade so, wie er es sich immer erträumt hatte und begann sogleich mit der Arbeit.
Nach einigen Wochen bereits hatte die Familie wieder zu essen und nach einigen Monaten litten sie endlich keine Not mehr.
Als dann der Herbst über das Land kam und die Bäume ihr Laub verloren, erschien der Teufel erneut, um sich die Seele des Bauern zu holen. Der Bauer aber sprach: „Sieh hinüber zum Eichenwald, Teufel, denn an den Ästen der Eiche hängen die Blätter immer noch in voller Pracht“. Ungeduldig verschwand der Teufel, kehrte aber alle paar Tage wieder zurück, um nach den Blättern der Eichen zu sehen. Die Eichenblätter aber fielen den ganzen Winter über nicht ab, sondern blieben hängen, bis im Frühjahr schließlich neue Blätter wuchsen.
Da erst merkte der dumme Teufel, wie sehr der alte Bauer ihn doch hereingelegt hatte. Außer sich vor Zorn raste der Teufel durch den Eichenwald und rüttelte an sämtlichen Stämmen und Ästen, um die Blätter zum Fallen zu bringen. Doch natürlich nützte ihm auch das nichts mehr. In seiner blinden Wut fuchtelte er mit seinen Armen wild um sich und schlug seine langen Krallen hasserfüllt in die jungen Blätter der Eiche.
Zwar hingen die jungen Blätter immer noch am Baum, doch hatten die scharfen Krallen des Teufels ihnen arg zugesetzt. Hatten die Eichenblätter zuvor noch einen schönen glatten Rand, so waren sie nun auf merkwürdige Art und Weise stark gewellt. Der gedemütigte Teufel verschwand noch im gleichen Moment und wurde in der Gegend nie mehr gesehen, so dass der Bauer ohne Schaden davon kam.
Die Eichenblätter haben bis zum heutigen Tag ihre sonderbare Form behalten, so dass auch Du die Spuren von des Teufels Krallen erkennen kannst.